HISTORY
Queer-Partys kommen und gehen. Das Tolerdance bleibt. Bereits seit 32 Jahren findet im ISC jeden 4. Samstag im Monat die Discoparty für Schwule, Lesben und Freund*innen statt.
UNSERE GESCHICHTE – WIE ALLES BEGANN
1992 in Bern. Die Abkürzung «LGBT» und das Wort «queer» waren noch nicht gebräuchlich, die Gleichstellung von Homo- und Heterosexuellen noch weit entfernt und das Internet ganz neu. Damals trafen sich Queers meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Für schwule und lesbische Disco-Fans in Bern gab es nicht viele Möglichkeiten in den Ausgang zu gehen. Aber Anfangs der 90er-Jahre herrschte Aufbruchstimmung bei den Schulen und Lesben in Bern. Die HAB (Homosexuellen Arbeitsgruppen Bern) eröffneten das Kultur- und Begegnungszentrum anderLand und in der Reitschule wurde ein grosses Homofest gefeiert. Im Organisationskomitee für das Homofest 1991 lernten sich Ludwig Zeller (Grafiker) und Matz Kündig (Radiomacher) kennen. Während der Arbeit für dieses Kulturfestival entwickelten sie die Idee einer regelmässigen Gayparty in einem etablierten (Hetero-)Club. Erklärtes Ziel war, Feste gemeinsam mit heterosexuellen Freunden und Freundinnen zu feiern. Das bedeutete damals eine Abkehr von der Gettoisierung, hin zum toleranten Miteinander.
Im September 1992 fand im Konzert- und Disco-Club ISC die erste Party statt. Die neue Partyreihe nennt sich Tolerdance, eine Wortkombi aus Tolerance und Dance und genau das ist Programm. Ludwig Zeller als Stammgast und Matthias Kündig als DJ und Ressortleiter Disco verbrachten damals schon viel Zeit im ISC und sie fühlen sich als Schwule akzeptiert und wohl in diesem Club. Dort löste ihr Vorschlag für einen schwul-lesbischen Discoabend zwar anfänglich etwas Unbehagen aus, wurde aber schliesslich akzeptiert. Einzige Bedingung des ISC-Vorstandes: Niemand (sprich Hetero) darf ausgeschlossen werden. Dies entsprach jedoch genau dem Konzept der beiden Macher: Junge Menschen, egal welcher sexueller Orientierung, sollten in einem toleranten Umfeld gemeinsam tanzen und feiern können.
In der Anfangszeit überraschten Ludwig Zeller und Matz Kündig auch musikalisch. Ihr Programm bestand einerseits aus Perlen der 70er und 80er Jahre, andererseits aus aktuellen Sounds aus den Charts und damals noch frischem Techno und House. Das musikalische Programm war genau so bunt gemischt, wie das Publikum und traf den Nerv der Zeit. Das Tolerdance wurde schnell sehr populär in der Clubszene Berns. «Damals platzte das ISC fast aus den Nähten wenn das Tolerdance angesagt war. Vor der Kasse bildeten sich lange Schlangen!», erzählt Ludwig Zeller. «Die Lüftung des Clubs kam damals an ihre Grenzen, was dazu führte das die Männer sich schnell ihres T-Shirts entledigten! Da tanzten also Homo und Hetero gemeinsam, ausgelassen, halbnackt und keiner störte sich daran. Das ist gelebte Toleranz.»
Nach fünf Jahren ist aus dem Macherduo ein -trio geworden: zusammen mit Thomas Lüthi (DJ Thomy L.) haben sich Ludwig Zeller und Matz Kündig zum «House of Tolerdance - H.O.T.» zusammengeschlossen. Zudem sorgten Guest-DJ’s für weitere musikalische Abwechslung auf der Tanzfläche. Neben dem monatlichen Tolerdance (jeweils am vierter Samstag) im ISC veranstaltete H.O.T. von 1997 bis 1999 weitere Gay-Partys in anderen Lokalen in Bern.
Um den unterschiedlichen musikalischen Vorlieben des Publikums besser Rechnung tragen zu können, bieten die Tolerdance-Macher seit Jahren zwei verschiedene Abende an: Mit den sogenannten Elektro Tolerdance befriedigt DJ Thomy L. und seit 2009 DJ PCB (Peter Brand) das Bedürfnis nach moderner Tanzmusik und elektronischen Klängen. FreundInnen glitzernder Hits aus der musikalischen Schatzkiste kommen am Golden Tolerdance auf ihre Rechnung. Diese goldenen Tanzabende werden von DJ Ludwig gemeinsam mit einem Gast-DJ’s mit viel schwulem Augenzwinkern präsentiert. Der Höhepunkt des Jahres ist jeweils das Sommer-Tolerdance mit der inzwischen legendären Live- und Playbackshow.
DJ Thomy L. und DJ Matz haben sich inzwischen aus dem Organisationsteam zurückgezogen. Es sind Ludwig Zeller, der seit Beginn dabei ist, und Peter Brand die das Tolerdance heute managen. Die Party wurde zu einem festen Bestandteil der Berner LGBT+-Szene. Einige Gäste sind dem Tolderdance seit Beginn Jahren treu, doch glücklicherweise kommen immer wieder neue Gäste dazu. Für viele junge Queers ist das Tolerdance oft der erste Schritt in die Szene und Hilfe beim Coming Out. Da das Tolerdance niemanden ausschliesst, fällt es unerfahrenen Homosexuellen oder Genderqueeren leichter, Neuland zu betreten. Diese kommen beim ersten Mal meistens mit ihrer besten Freundin – «rein zufällig» – an die Party. Beim zweiten Mal wagen sie es alleine und beim dritten Mal gehen sie (vielleicht) nicht alleine nach Hause.
Das Tolerdance wird oft mit einem Marktplatz verglichen, wo man alte Bekannte trifft und neue Freund*innen findet, Kontakte knüpft und Neuigkeiten austauscht. Die Atmosphäre ist familiär – cooles Grossstadtgehabe ist nicht gefragt. Auch die ISC-Mitarbeiter, die am Tolerdance die Kasse, Bar und Garderobe machen, mögen das Tolerdance, weil hier immer gute Stimmung ist, die Gäste freundlich und umgänglich sind. Das Konzept der offenen Party hat sich bewährt. Der vierte Samstag im Monat ist heute ein fixes Datum im Berner Partykalender und wird es noch lange bleiben. Dabei versucht Tolerdance am Puls der Zeit zu bleiben.